Purkijaur (SWE) - 24. - 27.03.2022 - Der Red Bull Nordenskiöldsloppet ist das längste klassische Skilanglaufrennen der Welt, bei dem 1800 Höhenmetern zu bewältigen sind. Dieser Bewerb hat einen geschichtlichen Hintergrund (Nordenskiölds war ein Polarforscher). Die komplette Distanz beträgt 220 km. Dieses Jahr belief sich die Distanz auf 200 km, weil das vorangegangene Warmwetter Überschwemmungen in Arrenjarka (Wende des 220 km Rennens) verursachte. Dafür hatte man bei Granudden einen überaus heftigen Anstieg eingebaut. Nach 2017 auf der kompletten Distanz, waren Anton Hierschläger und seine Frau Maria auch heuer wieder dabei! Bitte warm anziehen beim Lesen dieser Zeilen!

Weitere Infos unter der Homepage: Nordenskioldsloppet

VORBEREITUNG
Der Entschluss, dieses Rennen zu bewältigen, fiel im Mai 2021. Zahlreiche Langtouren zu Fuß und auf Skirollern wurden im Sommer und Herbst im Salzkammergut (Beispiel Höllengebirgsüberquerung vom Attersee nach Ebensee) und  im Mühlviertel absolviert. Glück hatten wir mit dem frühen Wintereinbruch im Dezember 2021. So konnten viele Kilometer vor allem im Langlaufzentrum Schöneben abgespult werden.

RENNEN
24.03.2022 Anreise München – Stockholm – Lulea – Leih-KFZ bis Jokkmokk/Arcticcamp /Unterkunft (3km außerhalb des Ortes)
25.03.2022 Skipräparation, Startnummernabholung mit Anmeldungsprozedere, anschließend Konditoreibesuch,
Ski/Wachstest in Karatsvägen bei beginnendem heftigem Schneefall. Anschließend Präparierung der Ski. Wachswahl: Gleitwachs: HWK – Pulver - Steigwachswahl: Toko-Trockengrund mit SWIX VR40 verbügelt, anschließend 3 x Rode Viola Multgrade mit SWIX V40 vermischt und verkorkt
Wetter: Während es bei der Anreise noch plus 8 Grad hatte, begann der Kaltlufteinbruch mit heftigem Schneefall. Konsequenz: Alles Wasser und nasser Schnee gefroren zu Eis. Es entwickelte sich eine Neuschneeauflage (5 cm bis 10 cm) auf gefrorenem Schneematsch.
26.03.2022 02.00 Uhr Frühstück – 03:15 Uhr Fahrt mit dem Bus zum Start (05:00 Uhr) in Purkijaur
Startverzögerung wegen Athletenanfahrt (Bus rutschte von der Fahrbahn)

START
05:30 Uhr – Wetter: Bedeckt mit starkem kalten Wind aus Nord/West – kalt….Loipe verweht. Der Massenstart erfolgt wie bei jedem Volkslauf. Die Loipe war entsprechend zugeweht und so bildete sich eine gänsemarschähnliche Laufschlange. Keiner wollte im Neuschnee laufen (noch stumpfer). Maria und ich starteten  mit allen anderen Läufern im Mittelfeld. 

Nach der Seepassage ging es „in das Gelände“. Durch den eingewehten Schnee in die Loipe ging es nur langsam vorwärts (stumpf). Heftiger kalter Gegenwind aus Nord/West erschwerte das Vorwärtskommen. Bald war unser Trinkversorgungssystem / Salomon Camelbak eingefroren. Also Versorgung nur an den vom Veranstalter organisierten Stellen (alle 13 bis 20 km). In unserem Kleinrucksack befanden sich neben der Trinkblase noch Windjacke, Müsliriegel diverse Gels, Stirnlampe und   Ersatz-Akkus für die Stirnlampe. Und so liefen wir bis Granudden. In diesem Bereich gab es einen heftigen Sturm. Nach kurzem Trinken und Müsliriegelkonsum machten wir uns sprichwörtlich schnell `“aus dem Staub“.  In einer ruhigeren Waldpassage neben einer Hütte präparierten wir unsere Skier mit Steigwachs. Durch den harten eisigen Untergrund hat es das Steigwachs sprichwörtlich „heruntergerissen“. Über einen steilen Anstieg ging es zur Abzweigung Richtung Sagudden. Der Sturm bzw. Wind ließ nach, die Wolken verzogen sich,  und wir konnten auf einer neu präparierten Loipe bestens vorwärtskommen. Maria wurde das Tempo zu schnell und sie lief ihr eigenes Tempo. Ich  lief auch mein  eigenes Tempo und lief voraus. Vom ständigen „Schlechtwerden“ begleitet erreichte ich den Wendepunkt/90 km Sagudden (große Verpflegungsstelle mit zwei Samen-Tipi). Dort angekommen präparierte ich wieder die Skier neu, weil schon wieder kein Steigwachs an den Skiern vorhanden war. Anschließend stopfte ich Käsebrot, Müsliriegel, Gels in den Mund…..Becher mit Wasser  bzw. Elektrolytgetränk wurden hinuntergestürzt. Mittlerweile tauche auch Maria auf.  Während Maria sich mit Getränken und diversen Essbarem versorgte,  präparierte ich ihre Skier. Anschließend nach ca. 20 min Aufenthalt machte ich mich wieder „aus dem Staub“ und nahm das „Rennen“ mit vollem Elan wieder auf. Maria verweilte noch einige Minuten am Wendepunkt. Auch sie nahm ihr „eigenes Rennen“ wieder auf. 

Mein weiteres „Rennen“
Die Loipe war nun gut präpariert und so ging es flott vorwärts. Doch schnell stellte sich wieder das lästige „Schlechtwerden“ ein. Zum Erbrechen kam es nie, aber dieser ungute „Zustand“ begleitete mich bis in das Ziel. Gedanken bzgl. Aufgabe des Rennens begleiteten mich des Öfteren.  Angekommen am Versorgungspunkt Majves musste ich wieder die Skier nachwachsen, weil nun ein längerer Anstieg zu bewältigen war. Weiter  ging es bis Randijaur. Nun dämmerte es bereits und es wurde empfindlich kälter. Nun streifte ich mir im „Samen Tipi“ die Windjacke über und versorgte mich mit diversem „Essbarem“. Schnell wollte ich wieder weiterlaufen. Doch ich konnte den linken Fuß nicht anschnallen. Das Bindungssystem „streikte“.  Ich versuchte alles Mögliche. Doch es gelang mir nicht den Ski anzuschnallen. Auch mit der  Hilfe vom Versorgungspersonal klappte nicht. Nach ca. 20 min gelang es mir dann doch noch den Ski am Schuh zu befestigen. Stirnlampe an, und mit voller Wut lief ich nun wie von einer „Tarantel“ gestochen weiter. Bald aber pendelte sich das Lauftempo auf das gewohnte Niveau ein. An eine Aufgabe des Rennen dachte ich nicht mehr. Mein Trinksystem/Camelback war weiterhin eingefroren. Es wurde bitterkalt. Um die minus 15 Grad, ausgelaugt, gefühltes ständiges  Schlechtwerden. So stellte sich die Situation dar. Also mir ging es sehr miserabel, doch aufgrund der disziplinierten Kohlenhydratversorgung war das Lauftempo ganz gut. Seit Randijaur gab es wieder  keine guten Loipenbedingungen. Man musste sich die entsprechenden „Rillen“ aussuchen, um ein einigermaßen tragbares Tempo einhalten zu können. Läufer um Läufer konnte ich überholen. Dass  „motiviert“.  Bevor man nach Purkijaur (km 180) ankommt,  ist eine Seenpassage zu bewältigen. Doppelstockschieben ist also das Nonplusultra. Nahezu „endlos“ ging es weiter bis nach Purkijaur (Versorgungspunkt bei 180 km). Wieder konnte ich  zu meiner Überraschung  viele dahinschleichende Läufer überholen. Nun begann der nächste Tag der 27.03.2022. In Purkijaur angekommen präparierte ich nochmals meine Skier mit Steigwachs, weil noch ein Berg zu bewältigen war. Um die Stirnlampe mit neuem Akku zu versorgen, ging ich schnell in ein „Samen-Tipi“. Im Tipi räkelten sich diverse Läufer, jammerten, wärmten ihre Zehen am Feuer (in der Mitte des Tipis). Eine ungute Situation. Ich dachte mir, da muss ich schnell wieder raus, sonst bleibe ich auch noch kurz vor dem Ziel „hängen“. Also raus in die kalte diesige  Finsternis. Sobald ich aus dem Tipi trat, überkam mich „Eiseskälte“.  Nachdem ich mir Riegel und Gel in den Mund stopfte, schnallte ich mir in Eile die Skier wieder an und begab mich auf die letzten 20 km. Zuallererst ist wieder eine monotone Seenpassage zu bewältigen. Alles tut weh am Körper. Doch das nahende Ziel vor Augen motivierte mich. Und so lief ich Kilometer um Kilometer. Nachdem die Bergkuppe erreicht wurde, ging es auf eine längere Abfahrt Richtung Jokkmokk. In der Ferne konnte man manchmal die Lichter des Ortes sehen. Glücksgefühle tauchen auf. Angeblich sollte es auch Nordlichter  gegeben haben. Aber im Lichte der Stirnlampe ist die Aurora Boreals nicht zu erkennen. Noch 5 km stand auf einer am Rande der Loipen gesteckten Tafel. Doch meine Energie ließ nach. Schnell gab ich mir noch ein Enervit Gel. Und so lief ich wieder merklich schneller weiter. Diverse ausgefahrene Abfahrten machten den Beinen Probleme, aber das Stürzen konnte verhindert werden. Nun sind noch die letzten eisigen Kurvenpassagen am Ortsrand zu bewältigen. Dann die sprichwörtliche Seenrunde und ab mit vollem Doppelstockeinsatz auf einer 1 km Geraden Richtung Ziel. Es ist „vollbracht“.  Auf der Anzeigentafel meine Zeit 20 Std. 19. Min.

Doch ich nahm die Zeit nur beiläufig war. Unfähig die Ski abzuschnallen oder irgend etwas zu tun. Nun machte sich das hilfsbereite Personal im Ziel bemerkbar. Sie halfen mir die Skier abzuschnallen und schnell eine Wolldecke  über den Körper. Auf einer Bank ausrastend zog ich mir unter Mithilfe einer Frau die wattierte Hose und Anorak an. Bald wurde ich mit warmen Getränken versorgt. Nach ca. 15 min wurde ich mit einem Kleinbus in das nahegelegen (4 km außerhalb von Jokkmok gelegene Arctic Center gebracht. Dort angekommen brauchte ich ca. 1 Std. mich auszuziehen. Duschen und ab in das Bett. 

Natürlich gab es nun gemischte Gefühle. Die 200 km geschafft zu haben, aber der Körper ist geschunden worden. Das „Schlechtsein“ ist verschwunden, dafür tut so alles am Körper weh. An ein Schlafen ist nicht zu denken. Auch in der kommenden nächsten Nacht „brannten“ mir die Arme“, sodass wieder kein Schlaf möglich war. Erst zu Hause pendelte sich das „normale Leben“ wieder ein.

Nach ca 2 ½ Std. kam meine Frau bei der Tür hereingepoltert. Die Stirnlampe noch an – wie auch schon 2017….

Hier die Erlebnisse von Maria ab dem Wendepunkt in Sagudden:
Ich verließ Sagudden um 14.45 und fühlte mich jetzt viel besser, da es mir beim Hinweg zwischen km 60 und 70 – nach Granudden und vor Tjamotis richtig schlecht gegangen war und ich ziemlich langsam unterwegs sein musste. Ich erholte mich aber und es ging richtig gut bis Sagudden. Eine 63- jährige Dame aus Jokkmokk lief hinter mit und lobte mich wegen des gleichmäßigen Tempos. Ich verpflegte mich gut und war im Nu wieder in Tjamotis. Die Strecke bis Granudden war gut gespurt. Zwei junge Damen überholten mich mit  und ich wäre gerne mitgelaufen, traute mich aber nicht. Als ich zum See hinunterlief, kam Toni schon den Berg herauf. Ich hatte also nicht so viel verloren. Bei der Verpflegsstation in Granudden war ein nettes Gespräch mit einer Helferin und die beiden Damen sah ich wieder- sie standen in der Seite. Jetzt war es am See nicht mehr so windig und bei der selben Hütte wie am Vormittag sprühte ich die Laufflächen meiner Ski, richtete mir die Stirnlampe. Bergauf ging es gut und bald war ich in Majves, einem wunderbar gelegenen Checkpoint am Ende einer langen Geraden- es war schon ziemlich kalt. Dann ging es mit richtig gutem Ski weiter nach Randijaur. Auf dem Weg dorthin überholte ich die junge Dame von vorhin, die jetzt alleine war. Sie hatte richtig langsame Skier. Auch einige Herren konnte ich überholen, die keinen Grip mehr hatten und auch bergab langsamer als ich waren.  In Randijaur  wachste ich die Skier selber mit kaltem Wachs der Verpflegsstation, weil ich nicht 10 min warten wollte, aß das Übliche und zog das Gilet einfach über die Startnummer an. Weiter ging es in die Dunkelheit hinaus. In Ragalvisjiegge erkundigt sich ein Herr, der mich schon in Sagudden bei der Wende angesprochen hatte (sehr gute Technik) nach meinem Alter und ich sagte ihm , dass ich 60 bin und mein Mann 68 ist und wahrscheinlich schon in Zielnähe. Seine Antwort: very tough guy. Ich war ein bisschen demotiviert, weil ich dachte , dass es schon weniger als 50 km seien. Hilft aber nichts- die Würstchen traute ich mich nicht zu essen. Dann ging es weiter nach Pelnibäcken, wo mir zuerst ein älterer Herr und dann ein junger Mann beim Wechseln der Batterien auf Akku bei der Stirnlampe  und beim Wachsen der Skier half- nahmen Wachs für -10 Grad von der Station. Im Anschluss traf ich eine Mann mit sehr schlechtem Licht und ich lief vor ihm, bis wir beim See vor Purkijaur waren. Er hätte mich über den See mitgenommen, ich war allerdings zu langsam. Bei der Verpflegsstation übliches Menü und dann ging es über den See in Richtung Karatsvägen. Hier war wieder der Herr  mit dem Wachstipp vom Vortag und dann ging es auf die letzten 15 km. Hier zog ich dann die grüne Windjacke über und war auch bei den Abfahrten relativ langsam- no risk. Die 90 Grad Kurve, wo 2017 noch eine Verpflegsstation war, kam relativ schnell und aufgrund des Neuschnees meisterte ich die Abfahrt ohne Abschnallen. Schnell kam ich dem Ziel nahe; bei dem Stück entlang der Straße, kurz bevor man durch die Unterführung auf die andere Seite wechselt, übersah ich ein kurzes Stück mit Split, stürzte und mühte mich wieder in die Höhe zu kommen. Fazit: nichts gebrochen, nur blauer Fleck am Arm. Nach der letzten Runde am See ging es in das Ziel, wo ich wie auch 2017 sehr freundlich empfangen wurde.
Zeit: 22h 36 min

Aussage des Herrn: A lady lonely through the night – nach kurzer Rast am fellgepolsterten Bankerl geht es mit einer älteren Dame als Lenkerin ins Quartier: tolv grader kalt
Bemerkungen:
-    Tolle hilfsbereite freundliche Leute an den Verpflegungsstellen, bei Start und Ziel und  im Samenort Jokkmokk
-    Ein Ereignis, dass man sein Lebtag nicht vergisst…….
-    Eine von den Künstlern der Samen produzierte Pavva-Lasse Nilsson Tuorda  Medallie bekommt man nur dann wenn man unter der Zeit von  21 Std.    und  22 min bleibt (siehe Homepage Info: Historie – Nordenskiöldsloppet).

Photo Gallerie Nordenskiöldsloppet 2022
Homepage Nordenskiöldsloppet